Von Andree Meyer

Eigentlich wäre ja heute wieder das Rezept der Woche dran, der Sommer brachte mir jedoch einige Erinnerungen zurück. Während man in den Medien täglich von Nachhaltigkeit spricht, wurde diese in meiner Kindheit noch gelebt. Gerade in unseren ländlichen Regionen gab es keine weltweiten Importe von Obst und Gemüse, Gefriermöglichkeiten waren auch noch kaum vorhanden. Der Anblick von Kornblumen und einem Bild meines Onkels bei der Arbeit auf dem Acker brachten Erinnerungen zurück. 

Gleich hinter meinem Elternhaus befand sich ein großes Stück Land, auf dem mein Onkel, ein Landwirt alter Schule, Roggen oder in manchem Jahr auch anderes Getreide anbaute. Auf dem daneben liegenden Acker wurden Kartoffeln angebaut, die wohl für die gesamte Familie ausreichten. Alleine die Kartoffeln, die für uns abfielen, dürften wohl fast ein Jahr ausgereicht haben. Als ich vor Kurzem auf einige Kornblumen stieß, nahm ich plötzlich den Geruch meiner Kindheit wahr. Es war, als ob ich durch die Hintertür meines Elternhauses trat und auf das für mich als Kind unendlich groß wirkende Roggenfeld schaute und den Duft von Roggen, aber vor allen Dingen den der zahlreichen Kornblumen nahezu inhalierte. Es war eine andere Zeit, es war um 1967 herum und ich war gerade 5 Jahre alt. Ich liebte es, dort hinter dem Haus zu spielen und auch an den Kornblumen zu riechen, die meine Urgroßmutter auch schon mal pflückte und in eine Vase stellte. Vermutlich habe ich die Vorliebe für Kornblumen wohl von ihr, denn ich erinnere mich, dass auch sie den Duft sehr mochte, hatte sie doch bis zur Flucht aus ihrer Heimat, in Königsberg, also mitten in einer großen Stadt gewohnt. 

Meine Uroma Mitte der 1960er Jahre

Wenn der Herbst kam, wurde es aufregend. Mit der Sense wurde das große Roggenfeld abgemäht und der Roggen gebündelt und zum Trocknen wie ein Zelt aufgestellt. Gerne schlüpfte ich schon mal in so ein „Zelt“ hinein. Es war auch Zeit für die Kartoffelernte. Mit der Hand wurden die Kartoffeln geerntet. Die ganze Familie musste helfen. Abtransportiert wurden die Kartoffeln mit einem Wagen, der von zwei großen Ackergäulen gezogen wurde. In dieser Zeit begann aber auch die Ernte von Obst und Gemüse. Von je her war die beste Möglichkeit, das zu konservieren, es einfach einzukochen. So hatten wir im Keller jede Menge Weck-Gläser stehen, die gefüllt waren mit Obst, Gemüse oder auch Marmelade. Meine Omas waren jetzt im Stress und keine Mühe war zu viel, um Vorräte für den bevorstehenden Winter zu schaffen. Ich nutzte derweil die Chance, über das Stoppelfeld, das nach der Roggenernte hinter unserem Haus entstanden war, bis an das nächste angrenzende Feld eines anderen Landwirtes zu „wandern“, denn für ein kleines Kind war das schon ein ziemlich langes Stück zu laufen. Man konnte dort auf Wallhecken und Ländereien schauen, die übrigens noch heute weitgehend erhalten sind. Irgendwann war dann das Pflügen des Ackers angesagt. Das erledigte mein Onkel dann natürlich mit seinen beiden Ackergäulen.

Ja, das war eine schöne Zeit. Wir alle lebten sehr nachhaltig, bis wir uns irgendwann dem Fortschritt hin gaben. Im Wohnhaus meiner Eltern entstand damals ein kleiner Dorfladen, ein etwa 15 Quadratmeter großer Raum, in dem Lebensmittel verkauft wurden. Die Kundschaft kam zu Fuß oder per Rad. Autos gab es noch lange nicht so viele wie heute. Als der Laden zu klein war, vergrößerte man sich im Dorf, es blieb bei der Nachhaltigkeit. Und im Alter von 6 Jahren zogen wir weg aus dem Haus meiner Kindheit, welches übrigens heute noch immer dort steht. Eine neue Zeit begann.

Nie vergessen habe ich die Momente, wenn ich bei meinem Onkel auf dem Feld war und er mit den Pferden arbeitete. Einen Führerschein hatte er nie gemacht und so war er nie in die Versuchung gekommen, einen Trecker zu kaufen. Er beherrschte die Pferde teilweise mit strengem Ton, aber niemals zu hart. So setzte er mich schon einmal auf eines der beiden Pferde – ich war damals so um die 5 Jahre – und ließ sie mit mir alleine den Weg nach Hause finden – das hätte man sich nicht mit Pferden machen können, die sich dort nicht wohlgefühlt hätten. Für mich war das natürlich ein besonderes Erlebnis – meine Eltern fanden das aber sicher nicht so toll. Wie auch immer – mein Onkel arbeitete noch bis in die 1980er Jahre hinein mit den Ackergäulen ohne jegliche Maschine. Man darf jedoch niemals vergessen, dass unser Gehirn die wunderbare Eigenschaft hat, das Schöne zu speichern. Und sicher hatte diese Zeit auch ihre unangenehmen Seiten und die damals gelebte Nachhaltigkeit ist heute vermutlich Utopie. Doch als schöne Erinnerung an meine Kindheit möchte ich diese Zeit gerne abspeichern.

Wenn Sie diese Website weiter nutzen, erklären Sie sich mit der Nutzung von Cookies einverstanden. weitere Informationen

Die Cookie Einstellungen auf dieser Website sollten auf "Cookies zulassen" eingestellt sein, um Ihnen das bestmögliche Surf-Erlebnis biten zu können. Wenn Sie diese Website weiter nutzen, ohne Ihre Cookie-Einstellungen zu ändern, oder Sie klicken auf "Akzeptieren" dann erklären Sie sich mit diesen einverstanden.

Schließen