Von Andree Meyer

Einmal zu Hause Urlaub machen – das war schon immer unser Wunsch, der in diesem Jahr in Erfüllung ging. Auch wenn das Wetter nicht immer mitspielte, so gelang es uns trotzdem unsere schöne Heimat ein wenig besser kennenzulernen. Ausnahmsweise war das Wetter an diesem Tag in Ditzum sehr schön und wir schlenderten durch dieses kleine aber wunderbare Dorf. Da fiel meiner Frau ein Laden mit dem Schild „Duins lüttje Laden“ auf. Während ich weiter schlenderte um Fotos zu schießen, lernte sie Karola Duin kennen, diese wunderbare ältere Dame, die in Ditzum eine lebende Legende zu sein scheint und den Laden seit 1957 betreibt.

Es war doch klar, dass meine Frau begeistert aus diesem Laden heraus kam. Leider mussten wir wieder los, denn wir hatten an diesem Tag noch einen privaten Termin. Wir beschlossen natürlich, in den nächsten Tagen noch einmal herzufahren, um Frau Duin ein wenig zu interviewen. Schon drei Tage später war es soweit. Es goss nicht nur in Strömen, sondern auch in Ditzum. Es war unglaublich, welche Regenmengen da auf der Fahrt nach Ditzum auf uns herunterfielen. Was für ein Wetter an diesem Augusttag herrschte, zeigt auch ein Bild von der in der Nähe befindlichen ehemaligen Bohrinsel Dyksterhusen. 

Wir hatten schon beschlossen, zurückzufahren, wenn wir keinen geeigneten Parkplatz finden – doch das Glück war mit uns. Direkt vor Duins lüttje Laden gab es einen Parkplatz für uns und wir konnten schnell ins Geschäft kommen. Dort erwartete uns eine angenehme und freundliche Atmosphäre, wenngleich wir uns auch in unsere früheste Kindheit zurückversetzt fühlten. Es dauerte einen Moment, bis Karola Duin selbst um die Ecke kam. Sie hatte zur Unterstützung einen Rollator, entschuldigte sich aber sofort für ihr so langsames Kommen mit dem Worten „Ik bün nett an Tee offwägen“. Meine Frau eröffnete ihr, dass sie mir unbedingt noch einmal den Laden zeigen wollte, da dieser doch so einmalig ist. Sofort konnte man Frau Duin ihre ganze Begeisterung ansehen – da interessierte sich jemand so für sie, dass er noch einmal wiederkam. Klar, dass ich sofort einige Fotos vom Laden machte. 

 

Mein Blick fiel auf eine Flasche Ecks-Weizenkorn. (Für Auswärtige: man spricht das „Eeks“ aus) Das erweckte bei mir Kindheitserinnerungen, selbstverständlich nicht, weil ich schon als Kind Weizenkorn trank! Nein, was ich dann Frau Duin sofort erzählte war, dass meine Eltern selbst einen so kleinen, später aber größeren Laden betrieben. „Ecks“ wurde seinerzeit lose, d.h. in einer durch ein Korbgeflecht geschützten großen Glasflasche, ich schätze mit 10 bis 15 Liter Inhalt, angeliefert. Auch kamen die Flaschen ohne Etiketten an. Mein Vater musste mit einem Schlauch den Korn ansaugen, um ihn dann in die Flaschen zu füllen. Man stelle sich das einmal bei den heutigen Hygienevorschriften vor. Trotzdem ist mir nicht bekannt, dass es dadurch jemals eine Erkrankung gegeben hätte. Nachdem die Flaschen abgefüllt und verschlossen waren, wurde das Etikett darauf geklebt. Damit waren die Flaschen fertig zum Verkaufen. Frau Duins Augen leuchteten, da sie mir natürlich auch die Geschichte der Brennerei Ecks in Weener erzählen konnte und dass es diese schon lange nicht mehr gibt. Wir spürten, dass sie nun etwas mehr von früher erzählen wollte. Sie griff unter den Tresen und holte einige Mappen hervor, die sie uns nun zeigte. Es waren jede Menge Zeitungsausschnitte, Fotos und Kopien aus vielen vielen zurückliegenden  Jahren. Sie zeigte uns Zeitungsausschnitte von der Sturmflut 1962, von besonderen Ereignissen in Ditzum und Umgebung und wurde dann etwas melancholisch, als sie uns längst verstorbene Weggefährten und -gefährtinnen auf verschiedenen Fotos zeigte. Irgendwie kam dann das Gespräch auf das Emssperrwerk. Sogleich war wieder eine Trauer in ihrem Gesicht zu spüren. Sie erzählte uns, dass Ihr Mann etwa 15 Jahre lang Führungen durch das Emssperrwerk gemacht hatte. Mit den Worten „he muss ja man völst to frau von disse Welt off“ beendete sie das Thema schnell. 

Zum Schluss erzählte sie uns noch etwas über das Hochzeitsgeschenk, dass sie liebevoll in ihrem Laden ausgestellt hatte. Es war ein Geschenk mit dem Titel „Duins lüttje Welt“. Wir hatten den Eindruck, es gefiel ihr ein wenig zu plaudern und wir erfuhren, dass sie zweimal täglich Hilfe von der Diakonie erhalte. Am Abend komme dann eine Frau aus der Nachbarschaft. Sie erklärte deren Tätigkeit ganz einfach, aber vorsichtig – nicht wörtlich übersetzen, ist eine Redewendung: „De makt mi denn fein schier an´t siet.“.

Wir waren begeistert von dieser taffen Frau und ihrem Lebensmut. Seit 1957 betrieb sie das Geschäft mit ihrem Mann, heute eben alleine. Ihr Tagesablauf ist immer gleich und von unsagbarem Pflichtgefühl geprägt – das hält sie vielleicht jung. Jeden Tag von 8.30 bis der Sandmann kommt – so steht es an der Tür. 

„Kummt gern mal weer!“ So waren Ihre Worte zum Abschied. Wir waren bereits etwa 20km gefahren, da fragte ich mich, warum ich diese Flasche Ecks nicht bei ihr gekauft hatte – allein schon als Andenken an sie. So fiel der Entschluss, in absehbarer Zeit nochmals dort hinzufahren. Schneller als wir uns das dachten, ergab sich die Gelegenheit. Nachdem wir am Tag des offenen Denkmals die alte Ziegelei in Midlum besichtigt hatten, beschlossen wir, nicht sofort nach Hause zu fahren, sondern noch einmal in Ditzum vorbeizuschauen. Duins lüttje Laden hatte sogar geöffnet. Karola Duin stand am Tresen und unterhielt sich angeregt mit einer Kundin. Als sie ging, traten wir hinein. Freundlich begrüßte sie uns. Genauso wie uns machte ihr natürlich diese enorme Hitze zu schaffen, die an diesem Tag herrschte. Mittlerweile hatten wir eine NDR-Produktion gesehen, die einfach wunderbar über das Rheiderland berichtete. Selbstverständlich war auch Frau Duin darin zu sehen. Dort würdigte man ihr Engagement als Orgelspielerin und Orgellehrerin. Wo sollten die jungen Nachwuchskünstler denn üben, wenn nicht bei ihr. So standen in ihrer Wohnung und in Hinterräumen des Ladens mehrere Orgeln, an denen die Kinder üben konnten. Sie erinnerte sich noch an die Aufnahmen und sagte uns ein wenig wehmütig, dass das bereits vor 27 Jahren war. Überhaupt schien sie ehrenamtlich sehr aktiv gewesen zu sein. Stolz stellt sie in einem Glastresen Ihre Urkunde zur 70jährigen Mitgliedschaft im MTV Ditzum aus. 

Und dann war da noch die Sache mit den wieder vorrätigen frischen Schafsködeln. Das war so auffällig angekündigt, dass sie diese dadurch wohl oft verkaufte. Auf die Frage, ob es sich um tatsächliche Schafsködel als Dünger handelte, kam die Entwarnung – das sind Süßigkeiten.

Mein Blick fiel jetzt auf die Flasche Ecks – ich wollte sie haben und fragte tatsächlich, ob ich die kaufen könnte. Natürlich wusste ich, dass die erheblich teurer sein würde, als in einem Supermarkt. Das war aber egal. Ich fragte sie zweimal, was ich zahlen müsste. Dabei schien es ihr schon fast peinlich zu sein, mir den Preis zu nennen. Ganz so schlimm war das dann aber wirklich nicht. Das schöne, heiße Wetter dieses Tages schien ihr zwar zu schaffen zu machen, dennoch war sie ausgesprochen guter Laune. Als ich dann mit einem nicht zu kleinen Schein bezahlen musste, entschuldigte ich mich dafür. Ihre Antwort war – „Halb so schlimm – nimm Vim, dat kriegen wie hen!“ Auch dieser Werbespruch stammte aus einer längst vergangenen Zeit – genau wie der kleine, liebenswert geführte Laden im verträumten Ditzum. Ihre Abschiedsworte waren nicht wie heute so oft zu hören „schönen Tag noch“, nein, ein warmes „kummt mal weer!“  Wir wünschen Frau Duin noch viele schöne Jahre und weiterhin viel Freude an ihrem Lebenswerk „Duins lüttje Laden“.

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